Beim Community-Anlass Schulsozialarbeit Ende September ging es um das Thema «Zusammenarbeit im Kindesschutz – rechtliche Rahmenbedingungen». Auf dem Programm stand ein Referat von Patrik Terzer, Präsident der KESB Werdenberg. Anschliessend fand eine Podiumsdiskussion statt.
Das Inputreferat von Patrik Terzer, Präsident der KESB Werdenberg, ermöglichte Orientierung zu den wichtigsten Grundlagen und Rahmenbedingungen zum Kindesschutz. Er betrachtet die rechtlichen Grundlagen als Handlungsrahmen, und erklärt, dass Lösungen erst durch die konkrete Zusammenarbeit im Austausch unterschiedlicher Beteiligter erarbeitet werden können. Schulsozialarbeitende sieht der dabei als Amtspersonen an, welche vielfach bereits auf sehr gute Grundlagen und eine gute Organisation betreffend Gefährdungen des Kindesschutzes zurückgreifen können. In weiterer Folge ermöglichte eine Übersicht zum «Kindesschutz-System» das Zuordnen beziehungsweise Unterscheiden von Aspekten des freiwilligen – im Sinn von nicht behördlich verordnetem – Kindesschutz, strafrechtlichen und zivilrechtlichen Kindesschutz.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ist zuständig für den zivilrechtlichen Kindesschutz. Dieser ist verschuldensunabhängig (im Gegensatz zum strafrechtlichen Kindesschutz) und auf Meldungen angewiesen. Diesbezüglich ändert sich die geltende Praxis mit 1. Januar 2019, sodass dann für alle Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, Meldepflicht in Gefährdungssituationen gegenüber der KESB besteht. Eine Meldung ist dann von Nöten, wenn der eigene Handlungsspielraum anderer beteiligter Fachpersonen, beispielsweise der Schulsozialarbeit, ausgeschöpft wurde, liegt also stark im Ermessen derselben. Im Idealfall stehen Kriterien zur Verfügung, wann und wie eine Meldung stattfindet, wie beispielsweise durch den «Leitfaden für das Vorgehen bei Gefährdung des Kindeswohls» im Kanton St.Gallen formuliert wurde.
Zusammenarbeit wird unterschiedlich gelebt
Folgende Empfehlungen an Schulsozialarbeitende formulierte Patrik Terzer zum Abschluss seines Referats:
- den persönlichen Kontakt zwischen Schulsozialarbeit, KESB und Jugendanwaltschaft und Beistandschaften etablieren – auch um sich fallunabhängig über die Aufgaben und Rollen auszutauschen;
- Abläufe für Gefährdungsmeldungen innerhalb der Schulen definieren;
- die eigene Dokumentation sorgfältig, wertfrei und transparent führen;
- die Meldung bei der KESB nicht als Drohung gegenüber Beteiligten einsetzen.
In der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Patrik Terzer, Celina von Moos, Schulsozialarbeiterin in Erlen, und Ady Baur, Leiter der Abteilung Schulsozialarbeit im Regionalen Beratungszentrum Rapperswil-Jona, wurde ersichtlich, wie unterschiedlich die Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeitenden und KESB-Mitgliedern erlebt wird.
In einigen Schulen gibt es bereits definierte Prozesse für den Fall einer Gefährdungsmeldung an die KESB, beispielsweise wird diese dann durch den Schulleiter vorgenommen, um die Lehrpersonen und Schulsozialarbeitenden, welche weiterhin mit den Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten, nicht mit dieser Rolle zu belasten. Diskutiert wurde ebenfalls, ob die KESB den Kontakt einzelner Schülerinnen oder Schüler mit der Schulsozialarbeit verordnen kann. Je nach Trägerschaft und Leistungsvereinbarungen kann das rechtlich möglich sein, sollte aber, so die Teilnehmer übereinstimmend, fallspezifisch geprüft und auf Zusammenarbeit und einem gemeinsamen Verständnis gründen und nicht ohne jede Absprache «von aussen» gesetzt werden.
Um ein umfassendes Bild bemüht
Zur Dokumentationspflicht beziehungsweise Aktenführung der Schulsozialarbeit gibt es aktuell keine einheitlichen, zwingenden Vorgaben. Was in der Aktenführung zu vermerken ist, wird jeweils durch die Trägerschaft oder kantonale Bestimmungen geregelt. Für die Schulsozialarbeit besteht gegenüber der KESB Mitwirkungspflicht, sodass relevante Informationen an die KESB weitergegeben werden müssen. Im Zweifelsfall ermutigt Patrik Terzer die Schulsozialarbeitenden, nachzufragen und zu klären, inwiefern Daten oder Auskünfte relevant für einzelne Fälle sind. Gleichzeitig versichert er, dass die Schulsozialarbeit immer eine von mehreren Befragten in der Fallbearbeitung sei. Die KESB sei jeweils um ein umfassendes Bild bemüht, sodass eine einzelne Aussage nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden könne.
Der Partizipation der betroffenen Kinder und Jugendlichen im Fall einer Gefährdungsmeldung wie auch in möglichen Verfahren, wird ein hoher Stellenwert von allen Podiumsteilnehmern zugesprochen. Der Kindeswille wird auch in der Arbeit der KESB abgeholt und einbezogen. Jedoch ist dieser vom Kindeswohl zu unterscheiden, und dieses gilt als massgeblich für die Entscheidungen der KESB; es ist also möglich, dass Entscheidungen im Sinn des Kindeswohls auch gegen den Kindeswillen getroffen werden müssen.
((Autorin: Johanna Brandstetter, FHS St.Gallen))
Folgende weiterführende Links weisen auf bestehende Regelungen und Hilfen hin:
- Merkblatt über Melderechte und -pflichten (wird betreffend der neuen Meldevorschriften per 1. Januar 2019 angepasst)
- Minimalstandards zur Zusammenarbeit zwischen Schulen und KESB bei Kindeswohlgefährdung
- Kanton St.Gallen: Leitfaden für das Vorgehen bei Gefährdung des Kindeswohls (wird im Laufe des Jahres 2019 überarbeitet)
- Kanton Thurgau: Leitfaden zur Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
- Kanton Zürich: Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen den Schulen und den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) bei Gefährdung des Kindeswohls
- sicher!gsund!-Themenheft «Kindesschutz und Schule»
- Juristische Grundlagen im Kindesschutz St.Gallen