Hände können sprechen und Augen sogar lügen. Die Haltung kann etwas verraten und der Gang etwas aussagen: Welchen Eindruck wir bei anderen hinterlassen, hängt zu über 50 Prozent von nonverbalen Komponenten ab: von Gestik, Mimik und Blickkontakt. 30 bis 40 Prozent macht die paraverbale Kommunikation aus. Etwa die Stimmlage, die Artikulation oder der Tonfall. Das Verbale hat einen Einfluss von maximal 10 Prozent. Mögen wir also noch so kluge Dinge sagen; wenn sie nicht mit unserer Körpersprache übereinstimmen, fällt es schwer, das Gegenüber zu überzeugen. Doch wer kennt es nicht: Ausgerechnet dann, wenn man kompetent, souverän und vertrauenswürdig herüberkommen möchte – ob man nun eine Präsentation hält, eine schwierige Sitzung leitet oder zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen ist – entspricht das Befinden ganz und gar nicht diesem Wunschbild vom eigenen Ich. Wie gelingt es, mehr Gleichgewicht und Gelassenheit zu erlangen?
Dr. Klüger hat sich mit Brigitte Spörri Weilbach unterhalten. Die Kunst- und Dramatherapeutin leitet an der FHS St.Gallen den CAS Darstellende Methoden in der Beratung und weiss, wie man sich auf herausfordernde Auftritte vorbereiten kann und wie man dabei zu einer ganz natürlichen und entspannten Haltung findet.
Tipp 1: Positive Erfahrungen in Erinnerung rufen
«Wann ist es mir gelungen, vor anderen Leuten erfolgreich etwas zu vermitteln?» Wer vor einem wichtigen Auftritt steht, tut gut daran, sich diese Frage zu stellen. Es spiele dabei keine Rolle, ob sich die Situation im Arbeitsalltag oder in der Freizeit abgespielt habe, sagt Brigitte Spörri Weilbach. «Unser Gehirn speichert solche Erlebnisse als positive Erfahrung ab.» Die Erinnerung daran bewirke ein gutes Gefühl, das sich auf die Gegenwart übertragen lasse. Sie rät dazu, sich auch das damalige körperliche Befinden ins Bewusstsein zu rufen. «Wenn sich eine Person zum Beispiel daran erinnert, dass sie frei atmen konnte, ist es wahrscheinlicher, dass dies auch in der neuen Situation der Fall sein wird», sagt Brigitte Spörri Weilbach. «Und mit einer freien Atmung öffnet sich automatisch der Brustkorb, wodurch sich auch die Haltung verbessert und die Stimme ganz anders entfaltet.»
«Beim Proben eines Auftritts hilft es, die Körpersprache mal zu übertreiben, mal zu minimieren, um das richtige Mass zu finden.»
Brigitte Spörri Weilbach
Kunst- und Dramatherapeutin, Leiterin des CAS Darstellende Methoden in der Beratung
Tipp 2: Den bevorstehenden Auftritt proben
Ob vor dem Spiegel oder vor Freunden: Eine Präsentation, ein Bewerbungsgespräch oder einen vergleichbaren Auftritt zu üben, lohnt sich. Einerseits erhält man so ein Feedback und kann dadurch mögliche Stolpersteine identifizieren. Anderseits schafft eine Probe in einem geschützten, ungezwungenen Rahmen wiederum eine positive Erfahrung (vgl. Tipp 1). «Diese ist, obwohl es sich nur um eine Übung handelt, real und deshalb viel wirkungsvoller, als wenn man seinen Auftritt nur in Gedanken durchgeht», sagt Brigitte Spörri Weilbach. Ihr Tipp für die Probe: «Oft hilft es, die Körpersprache mal zu übertreiben, mal zu minimieren, um das richtige Mass zu finden.» Letztlich sei es aber individuell, wie jemand diese einsetze und zum Beispiel beim Sprechen gestikuliere. «Wenn es nicht zum Naturell einer Person passt, sind keine Handbewegungen besser als solche, die künstlich wirken.»
Tipp 3: Sinne schärfen
Um bei anderen einen guten Eindruck zu hinterlassen, ist es gemäss Brigitte Spörri Weilbach am wichtigsten, Präsenz zu zeigen und auf das Gegenüber einzugehen. Dies ermögliche, flexibler auf bestimmte Stimmungen und Situationen zu reagieren. «Ist man dagegen zu sehr darauf konzentriert, was man selbst vermitteln will, gehen die Aufmerksamkeit und das dialogische Prinzip verloren», sagt sie. Eine wichtige Voraussetzung, auf andere einzugehen, sei, sich selbst zu spüren. Ein Weg dazu führe über Sinneswahrnehmungen. Als einfache Entspannungs- und Präsenzübung empfiehlt sie, drei Mal tief durchzuatmen – bis ins Becken. «Das kann man auch am offenen Fenster machen», so die Kunst- und Dramatherapeutin. «So stellt man nicht nur einen besseren Kontakt zum eigenen Körper her, sondern kann diesen auch mit Sauerstoff versorgen.» Um mehr Bodenhaftung zu erhalten, rät sie, die Füsse mit einem Tennisball oder einem kleinen Gummiball abzurollen. Wer es ausprobiert merkt: Füsse und Beine fühlen sich entspannter an und der Bodenkontakt verändert sich zum Positiven. Ein weiterer Entspannungstipp von Brigitte Spörri Weilbach: Hände aneinander reiben bis sie warm werden und danach an den Körper halten, zum Beispiel auf die Augen.
Tipp 4: Sich Raum nehmen
Als Einzelner vor anderen zu stehen und zu sprechen fällt dann besonders schwer, wenn es sich um ein unangenehmes Thema handelt und man Kritik aus dem Publikum befürchtet. Brigitte Spörri Weilbach rät dazu, sich ein Stück des Raumes, in dem man steht, als Sicherheitszone mit einer imaginären Grenzlinie vorzustellen. «Denn die Vorstellung eines Eigenraums kann sowohl eine körperliche wie auch eine zeitliche und inhaltliche Freiheit ins Bewusstsein bringen», sagt sie. Das bewirkt, dass man sich weniger in die Enge getrieben fühlt und sich freier bewegt. So kann es besser gelingen, eine Präsentation fliessend zu gestalten, eigene Akzente zu setzen und zu überzeugen. Ruft man sich zusätzlich noch ein positives Erlebnis (vgl. Tipp 1) in Erinnerung, gelingt der Auftritt noch besser.
Tipp 5: Schwierigkeiten ansprechen
Niemand ist perfekt. Vielleicht dringt bei einem Vortrag die eigene Stimme nicht bis zum Hintersten im Raum vor. Oder vielleicht schweift man beim Bewerbungsgespräch ab und hängt einem vorangegangenen Gesprächsfetzen hinterher. In solchen Fällen helfe es, das Thema zu benennen, sagt Brigitte Spörri Weilbach. Zum Beispiel indem man einen Punkt, zu dem man eigentlich noch etwas sagen oder klarstellen wollte, nochmals aufnimmt. Oder indem ein Vortragender, der sich seiner leisen Stimme bewusst sei, dies vor der Präsentation kurz erwähne und das Publikum um Rückmeldung bitte, sollte nicht jeder das Gesagte hören. Damit gewinnt man nicht nur Verständnis, sondern eventuell sogar Sympathiepunkte.
Wie immer gilt: Probieren geht über Studieren.
Ihr Dr. Klüger