120 Fachkräfte aus verschiedenen Branchen haben im vergangenen Jahr an der FHS St.Gallen einen Weiterbildungsmaster abgeschlossen. Dafür durften sie Anfang Dezember ihr Diplom entgegennehmen. Vor diesem festlichen Akt ging es um die Fragen, warum Technik und ein hoher IQ nicht alles sind, was den Fehler vom Fehlenden unterscheidet und was die Kopie vom Original.
Gleich nach der Begrüssung kam die Rechnung. Zum Glück keine, welche die Diplomandinnen und Diplomanden hätten bezahlen müssen. Vielmehr handelte es sich um ein Beispiel, mit dem Reto Eugster, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Weiterbildungszentrums der FHS St.Gallen, aufzeigte, dass sich eine Zahl allein durch das Kopieren verändern kann. 2013 machte ein Informatiker dieses Problem publik. Ein Software-Fehler bei Industriekopierern hatte Zahlendreher verursacht und liess die Kopie vom Original abweichen. Das Problem trat über Jahre massenweise auf. Es sei deshalb ganz und gar nicht abwegig, vermeintlich Verlässliches zu kontrollieren, bemerkte Reto Eugster. Melanie Gralak, Geschäftsleitungsmitglied des Weiterbildungszentrums, brachte es auf den Punkt: «Genau darum geht es auch in einem Hochschulstudium: hinter Dinge zu schauen, die selbstverständlich erscheinen.»
Im Rahmen ihres Weiterbildungsmasters an der FHS St.Gallen haben sich im vergangenen Jahr 120 Fachkräfte aus der ganzen Deutschschweiz in insgesamt zwölf verschiedenen Weiterbildungsprogrammen vertieft mit einer Materie auseinandergesetzt und sich in kritischer Reflexion geübt. Für den erfolgreichen Abschluss durften sie im Pfalzkeller ihr Diplom entgegennehmen. FHS-Rektor Sebastian Wörwag wünschte den Absolventinnen und Absolventen, dass sie die im Studium vermittelte Fähigkeit, «die richtigen zu Fragen stellen und nicht auf einfache Antworten zu fokussieren» auch in der Praxis einsetzen können. Es gehe nicht um einen möglichst hohen IQ, so Wörwag. Zentral sei, Wissen zu einem vernünftigen und klugen Handeln zu veredeln.
Die visionäre Perspektive einnehmen
Kantonsratspräsident Daniel Baumgartner betonte in seiner Festrede die Rolle der Bildung als Förderin der Sozialkompetenz. «Nebst fachlichem Können braucht es die Fähigkeit und den Willen, Empfindungen, Gedanken und Motive des Gegenübers zu erkennen und zu verstehen.» Den Absolventinnen und Absolventen gab er ein Zitat des Schweizer Heilpädagogen Paul Moor mit auf den Weg: «Nicht gegen den Fehler soll unser Denken und Wirken gerichtet sein, sondern für das Fehlende.» Der Fehler werde in der Regel mit Menschen definiert und die Auseinandersetzung damit sei rückwärtsgerichtet, so Baumgartner. Das Fehlende hingegen betreffe die Sachebene und der Fokus darauf ermögliche eine vorwärtsgerichtete, visionäre Sichtweise.
«Das Menschenhirn ist ein Sozialorgan»
Ludwig Hasler, Philosoph und Publizist, appellierte in seiner Festrede daran, gerade im Zeitalter der Digitalisierung das spezifische Menschliche zu stärken: darunter Lust, Leidenschaft und Neugierde. Es mache Sinn, das Digitale dort einzusetzen, wo es tauge – etwa, wenn es um Standardisierung gehe. Der Mensch sei jedoch keine Maschine, die man beliebig mit Stoffen füllen könne, sondern er brauche ein Gegenüber mit Augenpaaren, das ihn motiviere und ihm etwas zutraue. «Das Menschenhirn ist ein Sozialorgan. Spornt man es richtig an, ist es zu Wundern fähig», so Hasler. Deshalb sei es auch durch keine Maschine ersetzbar: «Denn auf Ideen kommen wir nicht digital, sondern durch Leidenschaft.»
Wozu der Mensch durch Leidenschaft in der Lage ist, zeigte sich nicht zuletzt im Gitarrenspiel von Antonio Malinconico, der die Feier musikalisch umrahmte und seinem Instrument ein beeindruckendes Spektrum an Klängen entlockte. Im Anschluss an die Feier tauschten sich Diplomierte und Gäste beim Apéro aus. Im Sinne eines guten Netzwerks über das Studium hinaus bereicherte auch die Ehemaligenorganisation FHS Alumni den Anlass.