Kaum ein Arbeitnehmender kann sich im Zeitalter der Digitalisierung den neuen Technologien verschliessen: unabhängig von Beruf und Alter. Gefordert sind aber auch die Betriebe, die ihr Personal entsprechend weiterbilden müssen. Am diesjährigen Update für Personalverantwortliche, welches das Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen im Rahmen der Ostschweizer Bildungs-Ausstellung OBA organisierte, gab es konkrete Beispiele aus der Praxis und neuste Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Der Anlass stand unter dem Titel «Digitales Lernen im Unternehmen – zwischen Wunsch und Realität».
Der Zug fährt los. Aus dem Führerstand sieht man die Landschaft vorbeirauschen. Mit einem gezielten Handgriff betätigt der Lokführer einen Hebel, der sich inmitten einer Vielzahl von Knöpfen und Displays befindet. Die Szene wirkt zwar täuschend echt, ist aber simuliert. Sie stammt aus einem virtuellen Zug, der Mitarbeitenden der SBB zu Lernzwecken dient. Sandra Hutterli, Leiterin Bildung und Digitale Transformation bei der SBB, zeigte am diesjährigen Update für Personalverantwortliche auf, welche Lerntools bei der Schweizerischen Bundesbahn zum Zug kommen. Denn der technologische Wandel rollt gemäss Hutterli über sämtliche Berufsfelder herein. «Wir müssen Mitarbeitende, die wenig schulische Bildung genossen haben, aber hochqualifizierte Arbeit leisten, genauso weiterbringen in der digitalen Transformation wie den Dr. Ingenieur, der sich damit beschäftigt, wie wir noch energieeffizienter fahren können.»
Digitale Bildung sei nicht bei allen gleichermassen beliebt, so Hutterli. «Auf der einen Seite gibt es Mitarbeitende, die es schätzen, dadurch individuell, flexibel und bedarfsorientiert zu lernen.» Auf der anderen Seite höre man aber auch kritische Stimmen: sei es wegen mangelnden Vertrauens in ein technisches Lernangebot, bei dem noch nicht von Anfang an alles funktioniere, oder wegen des Stresses, den die Technologie auslösen könne. Hier gelte es, zusätzliche Unterstützung zu bieten. Andere fänden das digitale Lernen aber auch schlicht unsozial, weil man nicht mehr den gewohnten Kontakt zu den anderen habe. Deshalb hat die SBB virtuelle Klassenzimmer zu Schulungszentren ausgebaut, die auch Raum für das lockere Gespräch zwischendurch bieten. «Eines unserer virtuellen Zentren befindet sich am Meer», berichtete Sandra Hutterli. «In der Pause kann man zusammen an den Strand gehen und sich dort austauschen.»
Führungskräfte müssen digitale Transformation vorleben
Alexandra Cloots, Co-Leiterin des HR-Panels New Work an der FHS St.Gallen, forscht zu den Themen digitale Transformation, Organisationskultur und Kompetenzentwicklung. Am Update für Personalverantwortliche präsentierte sie Ergebnisse aus ihrer neusten Studie. Eine Frage dabei war, wie sich Digitalisierung in der Organisation auswirkt: Ihre Umfrage zeigte auf, dass sich etwas über 60 Prozent der Befragten diesbezüglich durch die Vorgesetzten unterstützt fühlen. Fast ebenso viele brachten die Digitalisierung aber auch in Zusammenhang mit einem erhöhten Effizienzdenken. «Durch Digitalisierung entsteht eine Kultur der Effizienz in Organisationen», so Alexandra Cloots. «Lernen geschieht aber nicht auf Knopfdruck, sondern braucht Zeit.» Diese Tatsache stehe im Widerspruch zur Effizienzkultur, die keine zusätzliche Zeit vorsehe.
Was heisst das nun für Unternehmen? «Wir müssen Orte schaffen, wo Lernen und Austausch stattfinden können, wo es wieder mehr um den Menschen geht», resümierte Alexandra Cloots. Sie präsentierte den Personalverantwortlichen einige Ansatzpunkte, damit dies gelingt. «Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, ein geschütztes Spielfeld zu bieten, auf dessen Wiese Mitarbeitende ausprobieren und Fehler machen dürfen», so die Wissenschaftlerin. Auch bedürfe es umsichtiger Strategien, um ältere Generationen in die digitale Transformation einzubeziehen. Nicht zuletzt gelte es für jede und jeden, seine eigene Komfortzone zu verlassen. Für Alexandra Cloots ist klar: «Führungskräfte müssen digitale Transformation vorleben, sonst ist der Prozess zum Scheitern verurteilt.»
Nicht nur Sache der IT
Digitalisierung und digitales Lernen seien nicht alleine Sache der IT-Abteilung, sondern es handle sich dabei um eine strategische Aufgabe, hielt Felix C. Seyfart fest. Der Senior Consultant und Learning Designer bei der Berinfor AG referierte unter anderem zum Thema, wie sich digitales Lernen im Unternehmen strategisch umsetzen lässt. «Die Hälfte unserer Kunden kommt zu uns mit der Frage, welches Learningmanagementsystem angeschafft werden soll», so Seyfart. «Die technischen Anforderungen können aber niemals die Frage nach dem strategischen Ansatz beantworten.» Es gehe nämlich darum, zu klären, welches Lernen man ermöglichen müsse, um die Geschäftsziele zu erreichen und sich gegen die Wettbewerber zu behaupten.
Felix C. Seyfahrt stellt eine Tendenz fest, wonach man oft nur die Frage nach der Infrastruktur, dem Content und der Lernarchitektur stellt. «Hier kann man schnell etwas kaufen, viel Geld ausgeben und Erfolge vorweisen.» Aber die Strategie umzusetzen, sei schwierig und brauche Zeit.
Der Anlass wurde vom Weiterbildungszentrum der FHS St.Gallen organisiert. Durch das Programm leitete Rubén Rodriguez Startz, Mitglied der Geschäftsleitung des Weiterbildungszentrums der FHS St.Gallen. Er bemerkte, dass digitales Lernen nicht ohne ein klares Ziel auskommt. «Es geht nicht ohne eine Idee, wofür das Wissen letztlich eingesetzt werden kann.» Eine weitere Essenz aus dem Anlass: Digitalisierung und digitales Lernen sind keine Frage des «Ob», sondern des «Wie».