«Wenn Sie es eilig haben, schreiben Sie mir eine Postkarte.»
(Mary Bauermeister)
Diese Aufforderung ist paradox – gerade im Zeitalter der E-Mail-Kommunikation und Meinungsbildung über soziale Medien. Aber sie regt an, das Schreiben und seine Wirkung einmal näher zu betrachten.
Wir leben in einer Zeit, in der Informationen in einer unfassbaren digitalen Schnelligkeit und Dichte verbreitet und konsumiert werden und erleben zudem, dass die schriftliche Übermittlung von Inhalten keine Qualitäts- oder gar Wahrheitsgarantie beinhaltet.
Die Verschriftlichung von Gedanken ist ein strukturierender Vorgang, der seine Zeit benötigt. Im Moment des Schreibens legen Sie sich in Ihrer Aussage fest. Der erste Schritt, einen Text zu verfassen, besteht daher darin, das zu behandelnde Thema in seine einzelnen Bestandteile aufzugliedern und ihm dadurch eine Struktur zu geben. Im Schreiben argumentieren Sie und müssen – damit der Leser Ihren Text versteht – auf eine lückenlose Gedankenabfolge achten.
Die Formulierung geschieht erst einmal meist intuitiv und wird Sie wahrscheinlich auf Anhieb nicht zufriedenstellen. Wenn Sie das Schreiben von Aufsätzen mehrmals wiederholen, werden Sie ähnlich wie beim Trainieren einer Sportart, nach kurzer Zeit schon Fortschritte feststellen. Sie trainieren, Ihre Argumente zu präzisieren und Ihre Sprache als Transmitter, als Übermittler Ihrer Position, einzusetzen.
Gerade deshalb möchte ich Sie ermutigen, öfter einmal – und hin und wieder einfach ausser der Reihe – einen Text zu einem Thema zu schreiben, welches Sie gerade beschäftigt. Lesen Sie sich das Geschriebene nach einer gewissen Zeit noch einmal durch. So können Sie prüfen, ob der Text auch mit dem übereinstimmt, was Sie beabsichtigten auszudrücken. Ihre Gedanken werden sich womöglich in dieser Zeit weiterentwickelt haben. Solange ein Text nicht final ist, steht einer Korrektur oder Umschreibung nichts im Wege. Lassen Sie sich auf diesen Prozess ein und entwickeln Sie ihre Positionen weiter. Diese Lernerfahrung wird Sie bereichern und Sie werden Ihre Gedanken ganz anders zu differenzieren lernen, als ohne diese schriftliche Übung. Auch von Durststrecken sollten Sie sich nicht entmutigen lassen. Schreiben hilft Ihnen dabei, nicht nur fremde Gedanken wiederzugeben, sondern Ihre eigenen Gedanken zu entwickeln. Und das ist, so meine ich, der direkteste Weg, eine eigene fundierte Meinung zu entwickeln und diese substanziell zu vertreten.
Schreiben Sie doch hin und wieder auch einmal eine Postkarte. Sie erreicht die Adressatin oder den Adressaten zwar nicht so schnell wie ein Tweet, entfaltet aber womöglich eine nachhaltigere Wirkung – und das ist doch letztendlich der Sinn des Schreibens.
((Autor: Rubén Rodriguez Startz, FHS St.Gallen))