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Vertieftes Auseinandersetzen statt selektives Lernen

Die besten Arbeiten gehören ins Portfolio. Das gilt nicht nur in der Kunst. In einem Lern-Portfolio dokumentieren Studierende ihre individuelle Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Gleichzeitig fördert diese Methode das Lernen von- und den Austausch untereinander. Und sie zeigt Lernbewegungen der Studierenden auf.

Woran denken Sie, wenn Sie einen Wald sehen? Als Wanderer freuen Sie sich vielleicht auf den kühlen Schatten, als Pilzsammlerin hoffen Sie auf eine reiche Ausbeute und als Fotograf auf interessante Sujets. Obwohl es immer der gleiche Wald ist, hat er für jeden von uns je nach dem eigenen beruflichen Hintergrund und den persönlichen Erfahrungen eine andere Bedeutung. Beim Lernen ist das nicht anders. Und genau darauf zielt die Portfolio-Methode ab. Anstatt einfach dem Dozierenden zuzuhören und dann das Gehörte selektiv für die Schlussprüfung auswendig zu lernen, ermöglicht sie eine individuelle Verarbeitung des Lernstoffs. Das vertiefte Auseinandersetzen und die eigenen Gedankengänge werden dann im Lern-Portfolio dokumentiert. Mit unterschiedlichen Beitragsformaten. So entsteht eine individuelle Sammlung von Texten über Bilder bis zu Videos. Weiterlesen

«Nehmen Sie sich Zeit zum Denken»

«Die Vorlesung fällt heute aus, da ich noch Zeit zum Nachdenken benötige.» Vielleicht kennen Sie die Anekdote der Studenten, die vor einem verschlossenen Vorlesungsraum stehen, an dessen Eingang ein mit dieser Aufschrift versehenes Schild hängt. Was sagt uns diese Notiz?

Denken braucht Zeit. Durch differenziertes Denken durchleuchten wir neue Perspektiven und lernen dabei. Gemeint ist hierbei nicht das Lernen durch Repetition, das sich zur Erlangung eines Grundwissens nicht unbedingt vermeiden lässt. Der Lerneffekt des differenzierten Denkens besitzt eine tiefere Qualität. Beim Abwägen des Für und Wider eines Arguments, aber auch in der Interaktion, also beim Austausch und in der Auseinandersetzung mit anderen Personen, geschieht etwas, das wir als Lernen erfahren: Wir gewinnen Erkenntnis. Durch unser Denken durchlaufen wir einen Prozess, der Erkenntnis schafft und uns somit beim Lernen hilft.

Dem Denken Zeit geben

Wir sollten uns ruhig häufiger die Zeit nehmen, Gedanken zu Ende zu denken und auch Gegenpositionen mitzudenken. Das Durchdenken eines Gedankens, eines Arguments oder einer Position aus verschiedenen Perspektiven heraus qualifiziert das Gedachte und belässt es nicht in der spontanen und täuschungsanfälligen Ebene der Intuition, die zwar schnell und oft hilfreich zur Hand sein kann, allerdings wichtigen Entscheidungssituationen nicht immer gerecht wird. Den Ursachen dieses Phänomens und wie wir anhand eines «langsamen» Denkens Fehlschlüsse vermeiden können, geht Daniel Kahnemann unterhaltsam wie ausführlich in seinem Buch Schnelles Denken, langsames Denken von 2012 nach.

Was sagt uns das für unser eigenes Lernen?

Jeder Denkschritt trägt zum Lernen und damit zur Erkenntnis bei, sei es durch das reine Nachdenken, das Argumentieren oder Niederschreiben der Gedanken. Lassen Sie sich Zeit dafür. Lassen Sie sich Zeit für die Vor- und Nachbereitung Ihrer Lerneinheit. Nehmen Sie sich Zeit für die Auseinandersetzung mit einem Thema anhand von Übungen oder der Lektüre entsprechender Fachliteratur. Das Gelernte nach der Lektion Revue passieren zu lassen, hilft Ihnen, Ihr Wissen zu festigen. Und zu guter Letzt, Denken macht Spass und ist immer und überall verfügbar!

Übrigens, Schreiben hilft Ihnen auch beim Lernen, aber dazu mehr in unserer nächsten Kolumne.

Ihr Dr. Klüger

((Autor: Rubén Rodriguez Startz, FHS St.Gallen))