Hilal Iscakar und Marion Müller haben soeben den Lehrgang CAS Medienpädagogik abgeschlossen. Im Rahmen dieser Weiterbildung erarbeiteten sie für die Fachstelle Jugendinformation der Stadt St.Gallen ein medienpädagogisches Konzept für den Aufbau einer jugendlichen Redaktionsgruppe. Wieso sie dieses Projekt gewählt haben und wie es mit der Umsetzung läuft, erzählen die beiden im Gespräch.
Sie haben für die Stadt St.Galler Fachstelle Jugendinformation «tipp» ein medienpädagogisches Konzept erstellt. Wieso?
Iscakar: Die Informationsstelle «tipp» kommuniziert derzeit eher offline, also direkt über den persönlichen Kontakt in der Fachstelle tipp und hauptsächlich über gedrucktes Informationsmaterial bzw. über Email. Im Austausch mit den Sozialarbeitenden suchten wir nach neuen Methoden. Zudem sollen Jugendliche andere Jugendliche auf einer eher niederschwelligen Ebene direkt und selbständig informieren. Und zwar über Kanäle, die sie selber aussuchen und für richtig empfinden.
Müller: Wir wählten dabei den peer to peer Ansatz. Diese Methode ist in der Medienpädagogik sehr wichtig und hat sich in den letzten Jahren positiv bewährt. Dadurch vermeiden wir den potentiellen Generationenkonflikt. Die Jugendlichen wissen am besten, was andere Jugendliche interessieren könnte. Sie informieren in ihren eigenen Worten und somit Empfängergerecht und über zeitgemässe Kanäle.
Wie haben Sie die jugendlichen Peers auf ihre Aufgabe vorbereitet?
Iscakar: Wir haben aktiv nach Peers gesucht und interessierte Jugendliche aufgefordert, sich über Social Media dafür zu bewerben. Die ausgewählten Teenager trafen sich dann mit uns angehenden Medienpädagoginnen und den Mitarbeitenden von «tipp» zu Vorbereitungssitzungen. Wir diskutierten über Risiken und Chancen bzw. Grundhaltungen. Die Fachfrau für Kommunikation der Stadt St. Gallen war ebenfalls an einer solchen Sitzung dabei. Sie hat der Redaktionsgruppe Tipps und Tricks mitgegeben. Zudem hat ein Social Media Profi die Gruppe auf verschiedene Stolpersteine hingewiesen.
Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der Nutzung der Sozialenmedien – insbesondere für Jugendliche?
Müller: Wichtig finde ich, dass die Jugendlichen beim Wechsel von der analogen auf die digitale Kommunikation mit dabei sind und mithalten können. Sie sollen die guten Seiten dieser Revolution miterleben und für ihre Ausbildung, in der Berufswelt und für ihre private Kommunikation im positiven Sinne nutzen können. Die digitale Revolution birgt natürlich auch Risiken, die bewältigt werden müssen. Die Schnelligkeit in der Entwicklung der digitalen Kommunikation ist ein grosses Thema. Auch die Privatsphäre gilt es zu beachten. Das unbedachte Posten von privaten Informationen in den Sozialen Netzwerken muss vermieden werden. Für diese Themen wollen wir die Jugendlichen sensibilisieren.
Die Umsetzung Ihres Konzepts läuft seit wenigen Wochen. Wie reagieren die Jugendlichen darauf? Gibt es Reaktionen von Eltern?
Iscakar: Von den Jugendlichen wird das neue Kommunikationskonzept von «tipp» gut angenommen. Zurzeit kommunizieren unsere Peers über Instagram. Demnächst soll Snapchat folgen. Um den Erfolg zu beurteilen, ist es noch etwas zu früh. Wir haben eine motivierte Redaktions-Gruppe gefunden und sind sehr stolz, dass wir so einen tollen Start hinlegen konnten. Die Peers treffen sich regelmässig und haben sichtlich Spass dabei zu sein. Wir freuen uns auf mehr!
Und zum zweiten Teil der Frage: seitens der Eltern haben wir bis jetzt noch keine Reaktionen erhalten – auch keine negativen.
Zu den Personen:
Hilal Iscakar (38; links im Bild) ist Ressortleiterin der Offenen Jugendarbeit Ost der Stadt St.Gallen. Daneben ist sie in der Dienststelle Kinder Jugend Familie der Stadt St.Gallen Verantwortliche für Social Media Präventionsworkshops. Sie besuchte den CAS Medienpädagogik aus folgendem Grund:
«Ich arbeite seit 18 Jahren in der Offenen Jugendarbeit. Ich habe viele Veränderungen beobachten können, wie zurzeit die digitale Revolution in der Lebenswelt der Jugendlichen. Ich kann mich Marion nur anschliessen bzgl. der Kompetenzen die hinsichtlich der digitalen Medien überarbeitet und neu ausgestattet werden müssen. Bereits meine Masterarbeit im Studium habe ich zum Thema ‚Neue Medien in der Offenen Jugendarbeit‘ geschrieben und konnte in meiner Arbeitsstelle Workshops zum Thema mit aufbauen und durchführen. Nun wollte ich eine Weiterbildung zum Thema Medienpädagogik besuchen.»
Marion Müller (29) arbeitet als Sozialpädagogin und Gruppenleiterin im Schulinternat Redlikon (Stiftung Zürcher Kinder- und Jugendheime zkj). Ihre Motivation für den Besuch des CAS Medienpädagogik:
«Bereits während des Studiums habe ich mich für Medienpädagogik interessiert. Meine Bachelorarbeit habe ich über Cybermobbing im Jugendalter geschrieben und in meinem Praktikum, das ich übrigens in der St.Galler Jugendinformation ‚tipp‘ absolviert habe, bin ich praktisch bereits stark mit dem Thema Neue Medien konfrontiert worden. Das Thema ist topaktuell und wird gesellschaftlich sehr kontrovers diskutiert. Ich bemerke grosse Unsicherheiten bei Eltern und Pädagogen. Die Anforderungen haben sich mit der Mediatisierung der Gesellschaft verändert – Kinder und Jugendliche müssen mit neuen Kompetenzen ausgestattet werden. Die Soziale Arbeit darf sich diesem Wandel nicht verschliessen. Gerade in meiner jetzigen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, welche Schul- und Verhaltensschwierigkeiten zeigen, sehe ich Medienkompetenz als neuen Schutzfaktor und Mittel zur Partizipation. Ebenfalls muss meiner Meinung nach Wissen unter den pädagogischen Fachpersonen generiert werden. Und es treten vermehrt medienpädagogische Fragestellungen auf Institutionsebene auf, auf die es professionelle Antworten braucht.»