Wenn psychische Probleme die Gesundheit beeinträchtigen und die Arbeit erschweren, wenn es im Team kriselt oder wenn ein Ereignis eine ganze Belegschaft aus der Bahn wirft: Mit solchen und anderen Situationen kennt sich Patrizia Rizzo aus. Die Psychologin begleitet Einzelpersonen, Teams, Führungskräfte und Organisationen. Während ihrer langjährigen Tätigkeit bei einer externen Mitarbeiterberatung, zuletzt als klinische Direktorin, hat sie sich auf Krisenintervention, Teamentwicklung und Gesundheitsförderung spezialisiert. Die 51-Jährige leitet neu den CAS Case Management an der FHS St.Gallen. Im Interview spricht Patrizia Rizzo über Enttabuisierung, Prävention und Spannungsfelder.
Frau Rizzo, bevor Sie sich dieses Jahr selbständig gemacht haben, waren Sie über zehn Jahre bei einem weltweiten Anbieter für externe Mitarbeiterberatung tätig – auch im Bereich Case Management. Wie kann man sich diese Arbeit vorstellen?
Unsere Aufgabe bestand darin, im Auftrag von Firmen emotional oder psychisch belastete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen. Bei einigen Personen ging es darum, sich ihren Alltagsproblemen anzunehmen und damit zu verhindern, dass Gesundheit und Arbeit darunter leiden. Andere waren langzeitkrank und es galt, sie wieder ins Erwerbsleben zu integrieren: dies in Rücksprache mit Ärzten, spezialisierten Institutionen, Versicherungen und den Arbeitgebern. Ein grosses Thema waren auch Suchtprobleme von Angestellten.
Psychische Leiden sind immer noch ein Tabuthema in der Arbeitswelt. Wie lässt sich das ändern?
Es braucht Aufklärungsarbeit. Weshalb sollte man beim Gehirn, das besonders komplex ist, davon ausgehen können, dass es immer einwandfrei funktioniert, während Beschwerden, die andere Organe betreffen, akzeptiert sind? Ich versuche, den Menschen aufzuzeigen, dass psychische Leiden häufig sind und sich bei den meisten Betroffenen auf eine gewisse Zeit beschränken. Tatsächlich leidet jeder dritte Europäer im Laufe eines jeden Jahres an einer klinisch relevanten psychischen oder neurologischen Beeinträchtigung. 90 Prozent gehen einer Arbeit nach. Wichtig ist, dass man über sein Leiden spricht und frühzeitig etwas dagegen unternimmt. Viele finden dann sogar gestärkt aus einer persönlichen Krise heraus.
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