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Nicht nur mit Kopf und Zahl zur guten Wahl

Allein rund ums Essen treffen wir durchschnittlich mehr als 200 Entscheidungen pro Tag. Über alle Lebensbereiche gesehen sollen es täglich sogar über 20 000 sein. Nicht immer geht es dabei um Fragen wie «was koche ich?» oder «was ziehe ich heute an?». Dr. Klüger hat Tipps zusammengestellt, die auch bei weitaus schwierigeren Entscheidungen hilfreich sind.

Empfohlen bei «Soll-ich-oder-soll-ich-nicht-Fragen»
Tipp 1, Tipp 2, Tipp 4

Empfohlen bei «Entweder-oder-Fragen»
Tipp 2, Tipp 5

Empfohlen bei «Was-will-ich-überhaupt-Fragen»
Tipp 3, Tipp 5

Tipp 1: Ängste erkennen und über Bord werfen

Was würden Sie tun, wenn Sie sich sicher sein könnten, immer genug Geld zu besitzen und alles Neue, was Sie anpacken, mit links zu schaffen? Schön, wenn es diese Garantie gäbe, denn dann würden Entscheidungen merklich leichter fallen. Doch stattdessen zeigt sich die Angst vor dem Ungewissen. Zum Beispiel kommt die Sorge auf, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten oder neuen Aufgaben und Situationen nicht gewachsen zu sein.

Fragen Sie sich deshalb, was genau Ihre Motive sind, sich für oder gegen etwas zu entscheiden? Es hilft auch, diese aufzuschreiben. Vielleicht stellen Sie dann fest, dass Sie sich nicht von guten Gründen, sondern allein von Ängsten lenken lassen. Wenn Sie sich klar machen, dass Ängste genau so schlechte Navigatoren sind wie betrunkene Kapitäne, dann fällt es Ihnen leichter, diese über Bord zu werfen, das Steuer selbstbewusst in die Hand zu nehmen und eine bestimmte Richtung anzupeilen. Möglicherweise kommen sie auch mal ins Rudern und fallen ins kalte Wasser. Welchen Verlauf ihr Leben nimmt, können Sie aber sowieso nie zu 100 Prozent kontrollieren: ob sie nun im alten Fahrwasser bleiben oder zu neuen Ufern aufbrechen.  

Tipp 2: Münzen stupsen das Unterbewusstsein an

Wünschen Sie sich manchmal auch, jemand würde für Sie entscheiden? Dann werfen Sie eine Münze. Diese Methode mag banal erscheinen. Vielleicht fragen Sie sich sogar, ob dieses Kopf-oder-Zahl-Ritual einer schweren Entscheidung wirklich würdig ist. Ist es. Zumindest dann, wenn es wirklich nur ein Entweder-oder gibt (mehr dazu in Tipp 5).

Das Münzenwerfen bringt unsere unterbewussten Wünsche im Eiltempo ans Tageslicht. Während sich das 20-Rappen-Stück noch in der Luft dreht, hoffen wir unweigerlich auf ein bestimmtes Ergebnis. Oder wir sind enttäuscht, wenn sich die Münze von der «falschen» Seite zeigt. Auf diese Weise kann sich quasi im Handumdrehen herauskristallisieren, was wir bevorzugen. Übrigens: Aus meiner eigenen und der Erfahrung anderer weiss ich, dass man die Option, zu der man unterbewusst tendiert, der Kopfseite einer Münze zuordnet. 

Tipp 3: Scheibe für Scheibe, Karte um Karte

Viele Entscheidungen erscheinen in unserem Kopf als riesiges diffuses Gefüge, das sich schlecht durchschauen lässt. In solchen Fällen ist es hilfreich, das grosse Ganze zu strukturieren. Dazu eignet sich die sogenannte Scheibchenmethode, bei der man eine Hauptfrage in Unterfragen teilt. Statt «was soll ich beruflich machen?» würde es dann etwa heissen: «möchte ich nochmals eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren?», «welcher Fachbereich interessiert mich?» und «möchte ich lieber im Team oder allein arbeiten». Wer diese Unterfragen beantworten kann, dem fällt es leichter, in der Hauptfrage zu einer Entscheidung zu kommen.

Überhaupt lohnt es sich, in Teilschritten zu denken. Denn konkrete Aufgaben sind weniger bedrohlich und lassen sich leichter bewältigen. Vielleicht zerbrechen Sie sich gerade den Kopf darüber, ob Sie Ihren Job kündigen und den Schritt in die Selbständigkeit wagen wollen. Eine Möglichkeit wäre, sich zuerst zu einer Reduktion des Arbeitspensums zu entscheiden, um mehr Zeit zu haben, sich eigenen Projekten zu widmen. Es ist wie beim Kartenspiel: Mit jedem Blatt, das man legt, setzt man etwas anderes in Gang.   

Tipp 4: Talkrunde mit inneren Stimmen

Geht es um eine grosse Entscheidung, melden sich plötzlich ganz viele Stimmen. Stimmen im Sinne von Erwartungen, die andere an uns stellen. Hier gilt es, genau hinzuhorchen, wer da zu einem spricht. Angenommen, Sie sollen befördert werden: Nehmen Sie das Angebot an, weil Ihnen die Herausforderung wirklich Spass macht? Oder tun Sie es, weil Sie mit dem Glaubenssatz aufgewachsen sind, dass man möglichst viel Verantwortung übernehmen und Geld verdienen muss. Ein anderes Beispiel: Sie denken darüber nach, ein neues Haus zu bauen: Erfüllt es Sie mit Glück, wenn Sie daran denken, das Haus einzurichten und dort zu leben? Oder möchten sie vielleicht einen bestimmten Lebensstil vertreten, den Ihr Umfeld von Ihnen erwartet. Wenn beides der Fall ist – auch gut. Trifft jedoch nur Zweiteres zu, sollten Sie nicht darauf bauen.

Natürlich ist es nicht immer einfach, die eigenen Wünsche und die Erwartungen anderer auseinanderzuhalten. Auch hier hilft es, aufzuschreiben, was einem durch den Kopf geht. Stellen Sie sich eine Talkrunde mit verschiedenen Gästen vor und ordnen Sie diesen die Stimmen zu. Und am Schluss bilden Sie sich als Moderatorin oder Moderator Ihre eigene Meinung.  

Tipp 5: Klug kombinieren

Sich schwer entscheiden zu können, ist menschlich. Holen Sie sich ruhig Inputs von anderen, wenn Sie selbst nicht weiterkommen. Idealerweise konzentrieren Sie sich dabei auf Personen, die keine bestimmten Erwartungen an Sie haben (siehe Tipp 4) und Ihnen nicht aus eigenem Interesse zu einer bestimmten Richtung raten. Obwohl: auch Familienmitglieder können manchmal Aha-Effekte auslösen.

In einem seiner Bücher erzählt der deutsche Arzt und Komiker Dr. Eckart von Hirschhausen die Geschichte seines Grossvaters, der für seinen Humor bekannt war und dessen Wort in der Familie etwas galt. Einmal suchte der Onkel, der damals gerade das Abitur abgeschlossen hatte, den Grossvater auf und bat ihn um Rat. Einerseits ziehe er ein Forstwirtschaftsstudium in Betracht, anderseits reize ihn das Musikstudium, so der Onkel. Er könne sich aber nicht entscheiden. «Lerne Waldhorn», antwortete der Grossvater augenzwinkernd. Der Onkel fühlte sich vor den Kopf gestossen – bis ihm die Botschaften klar wurden. Eine davon: Man sollte Entscheidungen nicht auf ein Entweder-oder reduzieren, sonst übersieht man möglicherweise eine dritte Option, die beide Aspekte verbindet.

Nehmen Sie selbst die Rolle des Grossvaters ein und üben sie einen kreativen und humorvollen Blick auf Ihr «Entscheidungsproblem». Vielleicht tun sich dadurch ganz neue Wege auf.  

Vielen Dank, dass Sie sich entschieden haben, diesen Artikel zu lesen. Ich hoffe, er verhilft Ihnen zu vielen guten Entscheidungen.

Ihr Dr. Klüger