Menschen wollen mitbestimmen: Das gilt nicht nur in der Politik, sondern auch am Arbeitsplatz. Am Update für Personalverantwortliche im Rahmen der Ostschweizer Bildungs-Ausstellung (OBA) 2018, lag der Fokus auf demokratischer Unternehmensführung.
Demnächst entscheiden die Mitarbeitenden der St.Galler IT-Firma Haufe-umantis, ob sie Marc Stoffel auch künftig zum Chef haben wollen. Der Mittdreissiger ist der erste demokratisch gewählte CEO der Schweiz – und als solcher muss er sich einer Neuwahl stellen. Bei Haufe-umantis sind die Hierarchien flach. Die Belegschaft entscheidet nicht nur über Personalfragen, sie entwickelt auch die Firmenstrategie und die Unternehmensziele.
Sind Modelle wie diese ein Rezept, um schnell auf Veränderungen in der digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt reagieren zu können? Welchen Einfluss hat das auf die Motivation der Mitarbeitenden und welche Kompetenzen benötigen diese in Zukunft? Um solche und andere Fragen ging es am Update für Personalverantwortliche im Rahmen der Ostschweizer Bildungs-Ausstellung (OBA). Der Anlass, an dem rund 100 Personen teilnahmen, wurde von der FHS St.Gallen organisiert.
Während Haufe-umantis-CEO Marc Stoffel über praktische Erfahrungen sprach, beleuchteten Prof. Dr. Alexandra Cloots und Prof. Dr. Benjamin von Walter – beide dozieren und forschen an der FHS St.Gallen – das Thema der agilen, respektive demokratischen Unternehmensführung aus wissenschaftlicher Sicht.
Lernbereitschaft fördern
Mitarbeitende wünschen sich weniger Routinetätigkeit und IT-Arbeit, dafür wollen sie sich mehr mit Projekten beschäftigen, im Team arbeiten und Neues entwickeln. Sie möchten einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen und selber bestimmen können: Zu diesen Ergebnissen ist Alexandra Cloots in einer Studie gekommen. Als Co-Leiterin des HR-Panels «New Work» der FHS St.Gallen begleitet sie Unternehmen und Mitarbeitende auf dem Weg hin zu künftigen Arbeitsmodellen. Das heutige Arbeitsverständnis verlangt nach neuen Kompetenzen. Und um diese zu entwickeln, braucht es entsprechende Strukturen. «Unternehmen sind oft sehr starr», sagte Alexandra Cloots. «Sie müssen offener werden.» Wichtig sei, die Lernbereitschaft, die Selbstreflexion sowie das selbstbestimmte Arbeiten zu fördern.
Audio-Ausschnitt aus dem Referat von Alexandra Cloots
Selbstbestimmung ist in demokratisch geführten Unternehmen ein wichtiges Stichwort. Doch wie attraktiv sind solche Strukturen für das Personal? Dazu forschte Prof. Dr. Benjamin von Walter vom Kompetenzzentrum Marketing Management am Institut für Unternehmensführung IFU-FHS. Eines der Ergebnisse: Mitarbeitende assoziieren die demokratische Unternehmensführung in erster Linie mit der Wahl von Führungskräften. «Diese Perspektive kommt aus dem politischen System», so Benjamin von Walter. Aber nicht bei allen Angestellten entspreche es einem Bedürfnis, den CEO selbst zu wählen. Entscheidend sei die soziale Dominanz-Orientierung, die Bereitschaft, sich etwas vorschreiben zu lassen. Je niedriger die Akzeptanz gegenüber der Dominanz, desto eher werde die Wahl des CEO anstelle einer traditionellen Bestimmung befürwortet.
Audio-Ausschnitt aus dem Referat von Benjamin von Walter
Kein Verstecken hinter dem Chef
In einem demokratischen System zu arbeiten, bedeutet aber viel mehr, als den eigenen Chef oder Teamkollegen wählen zu können. Alle tragen die Verantwortung für ihr Handeln, wie Haufe-umantis-CEO Marc Stoffel erklärte. «Wenn die Mitarbeitenden bei uns jemanden einstellen und mit dieser Person nicht zufrieden sind, liegt es an ihnen, sich wieder von ihr zu trennen.» In einem solchen Modell sei es nicht möglich, sich in unangenehmen Situationen hinter dem Chef zu verstecken. Für Führungskräfte wiederum gelte die Regel, keine unerfreulichen Aufgaben oder Entscheidungen an die Mitarbeitenden zu delegieren.
Audio-Ausschnitt aus dem Referat von Marc Stoffel
Es sei wichtig, dass eine Struktur durch alle Ebenen vorgelebt werde und dass im Unternehmen eine Kultur des Lernens und Lernen-Wollens bestehe, resümierten Prof. Dr. Alexandra Cloots und Prof. Dr. Rubén Rodriguez Startz, Leiter des Weiterbildungszentrums der FHS St.Gallen, zum Schluss. In einem waren sich alle einig: Ein Unternehmen, das sich verändern will, kann die Lösung nicht von einem anderen kopieren, sondern muss seinen eigenen Weg gehen – dafür braucht es Ressourcen und Zeit.
Audio-Ausschnitt aus dem Referat von Rubén Rodriguez Startz
Die Präsentationen der Referierenden finden Sie unter folgendem Link: https://bit.ly/2N7BT3W